HELP-Apherese bei Long COVID: Wie viel nützt sie?

HELP-Apherese bei Long COVID: Wie viel nützt sie?

Brigitte Post erkrankte früh an Long COVID, wähnte sich nach der Impfung gesund und fiel doch wieder zurück. Mit Geduld und Demut kämpft sie für ihre Lebensqualität.

Die Long-COVID-Geschichte von Brigitte Post ist eine mit vielen Wendungen. Altea hat schon einmal über sie berichtet. Kurzer Rückblick: Brigitte Post infizierte sich bereits Anfang 2020 mit COVID-19 und war dann eine der ersten Long-COVID-Betroffenen in der Schweiz. Im Frühling 2021 kam mit der Impfung die Wende, die aber nur vorübergehend war. «Ich habe das Gefühl, diese gesunden Wochen seien zehn Jahre her – es ist so viel passiert seither!», erzählt sie am Telefon. «Die Symptome kamen nach sieben Wochen plötzlich zurück, und schlimmer als vorher. Ich war noch bei etwa 30 Prozent meiner Energie», schätzt Post. «Es ging mir richtig dreckig.»

«Neben der Therapie ist es wichtig, das Energiemanagement konsequent zu betreiben.»

So begann sich Brigitte Post nach der H.E.L.P.-Apherese zu erkundigen. Die Apherese, eine Art Blutwäsche, filtert unter anderem Gerinnsel und Entzündungsstoffe aus dem Blut und soll so die Heilung unterstützen. Post erhoffte sich, damit ihre Gefässentzündungen und die unzureichende Gewebedurchblutung zu beseitigen, welche sie für ihre Symptome verantwortlich machte. Auch wenn die Wirksamkeit der Apherese für Long COVID wissenschaftlich noch nicht bestätigt ist (siehe Infobox). Anfang 2022 bekam Brigitte Post dann einen Therapieplatz in Oerlikon. «Ich war mega happy, es war mein Rettungsanker in einer schlimmen Zeit», erinnert sie sich.

Nicht einfach eine «Reparatur»

Gleichzeitig war ihr bewusst: Die Apherese ist kein Spaziergang. «Das ist nicht wie eine Autoreparatur, wo Du kaputt in die Garage gehst und geflickt wieder rauskommst», sagt sie bildhaft. Vielmehr müsse man die anstrengenden mehrstündigen Therapiesitzungen verkraften können. «Ich habe immer gesunde Fruchtsäfte mitgenommen, damit ich nach der Apherese wieder zu Kräften komme und es nach Hause schaffe.» Daneben müsse man mit Stressreduktion und konsequentem Pacing den Heilungsverlauf weiterhin unterstützen. «Sonst macht man den Effekt gleich wieder zunichte.»

Kommt hinzu, dass die Kosten von rund 2000 Franken pro Sitzung relativ hoch sind und sich schnell zu einem grossen Betrag summieren. Ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt, ist derzeit ungewiss. Eventuell lässt sich eine Kostenbeteiligung über den Rechtsweg erstreiten. Hierzu gibt es aber noch keine Präzedenzfälle.

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Stundenlang an den Schläuchen: Brigitte Post während einer ihrer Apherese-Sitzungen. (Bild: privat)

Brigitte Post erlebte verschiedene Verbesserungen: Die Vergesslichkeit nahm ab, der Brainfog und die Durchblutungsprobleme waren weg, und die Temperaturregulation des Körpers funktionierte wieder normal.

Probleme mit der Konzentration

Doch nicht alles ist wieder wie vorher: Ein Test am Kantonsspital Aarau bestätigte, dass nach wie vor neurokognitive Probleme vorhanden sind. Auch am Telefon ist nach einer gewissen Dauer zu spüren, dass Post manchmal nach Wörtern suchen muss, stockt, etwas den Faden verliert. Das fällt jedoch nur auf, wenn man von ihrer Erkrankung weiss – sonst ist sie präsent, humorvoll und erzählt packend.

Mit viel Anstrengung unter Kontrolle

Dieser Zustand – Brigitte Post spricht von 70 bis 80 Prozent – ist aber mit strenger Disziplin erkauft. Das betrifft zum Beispiel das Energiemanagement und die Ernährung. Post verzichtet strikt auf Alkohol. «Wenn ich ein alkoholfreies Bier trinke, das eine Spur Restalkohol enthält, merke ich das sofort», erzählt sie. «Ich muss darauf achten, dass es wirklich eines mit 0,0% Alkohol ist.» Gestern habe sie zum ersten Mal seit Monaten «ein Mini-Schlückchen» Röteli getrunken, weil sie sich gut fühlte – doch sie merke es sofort im Gehirn, auch noch am Tag danach.

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«Das Leistungsdenken loszulassen, musste ich erst lernen»: Brigitte Post erholt sich nach den Apheresen auf einer Wohnmobil  -Reise in Dänemark. (Bild: privat)

Entsprechend musste Brigitte Post auch beruflich kürzertreten, ihre eigene Firma liegt derzeit grösstenteils auf Eis. «Ich bin jetzt 60 Jahre alt und war 58 Jahre auf Leistung getrimmt. Das loszulassen, musste ich erst lernen.» Geholfen hat ihr dabei eine Ergotherapeutin. Auch sonst hat sie sich ihre Strategien zurechtgelegt. Als es mit der Belastungsintoleranz ganz schlimm war, habe sie sich einen Zettel gemacht mit der Aufschrift «Bin gerade belastungsintolerant». Den konnte sie ihrer Frau hinlegen, die dann wusste, dass ihre Partnerin gerade «out of order» ist. «Für Erklärungen hat die Kraft gefehlt.»

Unzählige Termine absolviert

Für Brigitte Post ist es beruhigend zu wissen, dass sie eine Apherese machen kann, wenn es wieder schlimmer werden sollte. Denn die vergangenen zwei Jahre waren eine kräftezehrende Odyssee. «Ich habe mal nachgezählt: In 27 Monaten habe ich 59 Arzt- und Sprechstundentermine und 85 Therapien absolviert, Atem-, Mal-, Ergotherapie, TCM und Osteopathie… Leider waren viele schulmedizinischen Termine Leerläufe, weil es noch keine zugelassenen Therapien gibt. Die Komplementärmedizin hat mir geholfen, die Symptome in den Griff zu kriegen und Schlimmeres zu verhindern.»

«Jetzt habe ich alles wieder raufgeholt und durchgekaut», sagt Brigitte Post zum Schluss des Gesprächs fast etwas überrascht. «Aber ich will jetzt lieber nach vorne schauen. Richtung Pacing, Achtsamkeit, Kreativität und Lebensfreude.»

Davon ist schon einiges zu spüren: Seit kurzem hat Brigitte Post ihre langjährige künstlerische Tätigkeit, die zuletzt zu kurz kam, wieder aufgenommen und präsentiert auf ihrer Webseite   ihre Seiden-Expressionen und personalisierte Seidentücher.

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Unvergleichliche Farbverläufe, einzigartiger Glanz: Brigitte Post ist fasziniert vom Werkstoff Seide. (Bild: privat)
Apherese: Keine Empfehlung von Altea
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